20.12.25

20. Dezember: Das Licht der Gefährten

 Der Winter 1347 war kalt und grausam Nach den verregneten Sommermonaten waren die Getreide auf den Feldern um Perpignan verfault, noch bevor sie gedroschen werden konnten. 

Die Hungersnot hielt die Stadt nun in ihrem eisernen Griff. Die Wangen der Kinder waren hohl geworden und das tägliche Brot für viele unbezahlbar. Hoffnung so rar wie ein Sack Mehl. In dieser Dunkelheit drohte der Neid die Nachbarschaft zu vergiften, während jeder versuchte, seinen letzten Rest zu verteidigen.

Bernat und Elicenda standen gemeinsam i vor den fast leeren Vorratsspeichern der Stadt. Er blickte besorgt auf die schwindenden Vorräte. »Die Vorräte der Stadt werden nicht für lange reichen, Elicenda«, sagte er mit belegter Stimme. »Die Verzweiflung wird diese Stadt zerreißen, noch bevor der erste Schnee schmilzt.«

»Dann dürfen wir sie nicht nur verwalten, Bernat. Wir müssen sie teilen, solange wir noch etwas haben. Wenn die Menschen sehen, dass niemand vergessen wird, wird die Angst vor dem Hunger nicht zum Hass«, antwortete sie fest.

Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan. Bernat ließ gegen den Widerstand einiger Ratsherren die versiegelten Notreserven für die Armen öffnen. Elicenda üerzeugte die Frauen der Stadt, ihre letzten Kerzenstümpfe und Wachsreste zusammen einzuschmelzen, um neue Symbole der Gemeinschaft zu schaffen.

An diesem Abend des ersten Advents gingen sie sondern als Gefährten der Notleidenden durch die Straßen. Bernat trug einen schweren Sack mit den letzten Vorräten an Hülsenfrüchten, während Elicenda eine Laterne behütete, die den Weg durch die finsteren Gassen der Hungernden wies.

An jedem Haus, hinter dessen Tür man das Weinen hungriger Kinder hörte, hielten sie inne. Bernat klopfte leise und reichte eine Portion der kargen Nahrung hinein. Elicenda gab jedem eine der kleinen, selbst gezogenen Kerzen. »Es ist wenig für den Magen, aber ein Licht für die Seele«, sagte sie sanft. »Wir stehen das gemeinsam durch.«

Es dauerte nicht lange, bis eine Veränderung spürbar wurde. Ein Bäcker, der seinen Laden aufgegeben hatte, entzündete seine Kerze und stellte sie in das Fenster über der Backstube. Er brachte eine Handvoll hartes Brot heraus, um es mit den Vorbeigehenden zu teilen.

Bernat sah zu Elicenda und spürte, wie die Last der Verantwortung ein wenig wich. Er sah nicht mehr nur die leeren Speicher, sondern die Kraft der Menschen, wenn sie nicht allein gelassen wurden. »Siehst du?«, flüsterte er. »Der Hunger ist groß, aber unsere Einigkeit ist größer.«

Als sie am späten Abend zum Marktplatz zurückkehrten, brannte dort trotz der klammen Kälte ein Feuer. Die Bürger hatten ihre letzten Holzscheite zusammengelegt. Es gab kein großes Festmahl, aber in dieser Nacht schlief Perpignan ein Stück weit friedlicher ein, weil Bernat und Elicenda ihnen gezeigt hatten, dass im Advent niemand allein am leeren Tisch sitzen musste.


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