28.2.12

Kultur und Wissenschaft im Neapel der Frühen Neuzeit



Neapel war zur Zeit der „Königlichen Republik“ mit 400.000 Einwohnern eine der größten Städte Europas.
Im Geschichtsunterricht an deutschen Schulen kommt es nach der Epoche der Staufer gleichwohl kaum vor – vielleicht weil es so „weit abgelegen“ ist?
Neapel war nicht nur groß und reich, sondern auch ein Zentrum der Kultur.
Die erste Universität Neapels wurde 1224 als ghibellinische Einrichtung gegründet, um ein Gegengewicht zur Kultur den Guelfen in Bologna zu schaffen. Sie gilt als die erste laizistische Universität Europas, die „von Staats wegen“ (durch König Ferdinand II) gegründet wurde.

Im 15. Jahrhundert war auf Initiative unabhängiger Bürger die Akademie Pontaniana gegründet worden. Sie diente der Förderung von Wissenschaft, Literatur und Kunst.
Allerdings existierte sie in jener Epoche nur von 1458 bis 1542. Dann wurde sie vom spanischen Vizekönig Pedro de Toledo geschlossen, der im Zuge der Hispanisierung jeglichen Zusammenschluss unabhängiger Bürger behinderte. (Erst zweieinhalb Jahrhunderte später sollte sie wiederbelebt werden.)
Möglicherweise ist die Akademie Pontaniana sogar die älteste Akademie Italiens überhaupt: Ihr Ursprung wird von einigen Historikern auf das Jahr 1442 zurückgeführt, als Alfonso I d’ Aragona kurz vor seiner Krönung zum König von Neapel eine Bibliothek errichtete, in der sich Kulturwissenschaftler zur Diskussion über Philosophie und Literatur versammelten.

Neapolitanisch ist eine eigene romanische Sprache; keineswegs ein italienischer Dialekt. Ab 1442 – per Dekret von König Alfonso I – ersetzte es das Latein in den offiziellen Dokumenten und in den Versammlungen am Hof von Neapel: Ein Jahrhundert lang war es die Amtssprache des Königreichs beider Sizilien.
Im 16. Jahrhundert zwang der spanische König Ferdinand I den Neapolitanern Kastilianisch als Amtssprache auf. Neapolitanisch überlebte fürs erste aber in den Behörden und blieb die Sprache der Diplomatie und der Beamten, bis es dort, per Dekret, von Toskanisch ersetzt wurde.

Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert, in der Epoche der neapolitanischen Schule, sind komplette Opern-Libretti in neapolitanischer Sprache geschrieben worden.
Und auch das Musical „Masaniello“ von 1996 ist auf neapolitanisch und Aufführungen in anderen Städten werden italienisch „untertitelt“, damit der Text verstanden wird. (Genau genommen ist es keine Untertitelung, sondern eine durchlaufende Leuchtschrift über der Bühne.)
Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden vier Konservatorien gegründet und die neapolitanische Musik eine eigene Schule. Die Wurzeln des „canzone napoletano“ reichen bis ins 13.Jahrhundert zurück.
Das berühmteste Musikinstrument, die „klassische“ Mandoline – die neapolitanische –, wurde ab dem 17. Jahrhundert vom Instrumentenbauer Vinaccia produziert. Er ersetzte die Kupfersaiten durch Metall und verbesserte dadurch entscheidend den Klang des Instruments.

Caravaggio, der zwischen 1607 und 1610 in Neapel lebte, war prägend für die neapolitanische Malerei des 17. Jahrhunderts, die eine Reihe bedeutender Werke hervorgebracht hat. Zuvor – unter den Anjou – war Giotto in Neapel tätig: Von ihm stammt ein Teil der Fresken der Basilika Santa Chiara.








21.2.12

Neapolitanische Küche



Pizza! Vermutlich noch vor den Nudeln fällt einem die Pizza als klassisches neapolitanisches Gericht ein. Immerhin ist die Pizza napoletana seit Anfang 2005 als Warenzeichen innerhalb der Europäischen Union eingetragen.
Es ist historisch allerdings nicht gesichert, ob die Pizza, so wie wir sie kennen, tatsächlich in Neapel erfunden wurde. Jedenfalls wurden erst seit dem 19.Jahrhundert Flachbrote mit Tomaten, Käse und anderen Zutaten bedeckt und dann gebacken.

Und was haben die Neapolitaner vorher gegessen?

Die Wurzeln der neapolitanischen Küche sind griechisch-römischen Ursprungs. Lukullus – bis heute ein Synonym für gutes und üppiges Essen – besaß eine Villa in Neapel. Dort ließ er für seine Bankette Fische züchten, insbesondere Muränen.
Im Mittelalter galten die Neapolitaner als „Blätterfresser“: Gemüse waren die Hauptnahrungsmittel des einfachen Volkes; besonders beliebt die Brokkoli. Daneben natürlich auch, was das Meer hergab. 

Fleisch war weniger erschwinglich und daher seltener. Es wurde gerne süßsauer zubereitet, mit Pflaumen, Knoblauch, Rosinen, Pinienkernen, Mandeln und Zimt.
Zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert änderten sich die kulinarischen Geschmäcker, als sich die aus Amerika importierten Nahrungsmittel verbreiteten: Tomaten, Kartoffeln, Paprika; der Truthahn und der Kakao.
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der immer größeren Ausdehnung der Stadt wurden Lebensmittel wichtiger, die sich gut konservieren ließen: Nudeln. Aus den Blätterfressern wurden „Makkaronifresser“.
Die Produktion von Nudeln in quasi-industriellem Umfang begann im 17. Jahrhundert in einem Ort namens Gragnano – gegen 30 km südlich von Neapel – . Zufällig war das dortige, leicht feuchte Klima besonders gut für den notwendigen langsamen Prozess des Trocknens geeignet.
Die Küche der Armen verband Nudeln häufig mit Gemüse oder Fisch und anderen Meerestieren.
Im Sommer war Obst eines der Hauptnahrungsmittel: Darum war es eine neue Steuer – gabella – auf dieses Lebensmittel, die den Aufstand im Sommer 1647 provozierte.
Süße Backwaren, als Kleingebäck oder Torten, gab es traditionell an Weihnachten und Ostern. Und zum Karneval.

„Fast food“ gibt es in Neapel seit den Zeiten der Römer: vorwiegend Frittiertes, das auf der Straße erworben und verzehrt werden konnte.

14.2.12

Europa im 17.Jahrhundert

Schlacht von Rocroi

Der Aufstand 1647 in Neapel erfolgte zu einem Zeitpunkt, an der ein Umbruch der Machtverhältnisse im Europa stattfand.

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa gilt landläufig als vom Dreißigjährigen Krieg geprägt. Scheinbar ein Glaubenskrieg, ging es in Wahrheit um die Vorherrschaft in Europa. Das katholische Frankreich finanzierte die Feldzüge des protestantischen Schweden – ohne das Geld Ludwigs XIII. wäre König Gustav Adolf nicht weit gekommen.
Gewissermaßen parallel zum Dreißígjährigen Krieg kämpfte das katholische Frankreich gegen das katholische Spanien. Im Süden gelang es Frankreich, sich den Roussillon anzueignen. Flandern wurde über Jahre regelmäßig von den Armeen beider Länder verwüstet ... Die Schlacht von Rocroy 1643 erwies sich in der Folge als Anfang vom Ende der militärischen Überlegenheit Spaniens in Europa.

Spanien hatte die unermesslichen Reichtümer aufgebraucht, die es sich nach der Entdeckung Amerikas 1492 angeeignet hatte. Das Gold war nicht in den Aufbau wirtschaftlicher Größe, sondern in kriegerische Auseinandersetzungen geflossen; Spaniens Politik fehlte die Nachhaltigkeit, die 16. Jahrhundert die Niederlande zu einer großen Handelsnation machte, gefolgt von Großbritannien, nachdem dort die Folgen der Glorious Revolution überwunden waren.
Der Mangel an Geld in Spanien führte dazu, dass auch die militärischen Operationen immer schwieriger auszurüsten waren. Die Armeen jener Zeit waren vorwiegend Söldnerarmeen; gab es keinen Sold und auch nichts zu plündern, „kündigten“ die Soldaten. Oftmals verdingten sie sich anschließend bei der feindlichen Armee – wobei sie kriegswichtige Informationen mitbrachten.

Während des Aufstands in Neapel plünderten die spanischen Söldner die Häuser der reichen Adligen, als ihre Versorgungslage prekär wurde. Und sie verkauften ihre Waffen an die Neapolitaner.

Frankreich war zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Staat, in dem die Gouverneure der Provinzen ihre eigenen Interessen verfolgten, oftmals im Widerspruch zum König. Und König Ludwig XIII hatte einen Gegner in der eigenen Familie; seinen Bruder, genannt Monsieur. Kardinal Richelieu regierte und arbeitete am Aufbau des Zentralstaats, in dem alle Macht in den Händen des Königs (und den seinen) lag.
Richelieu starb 1642; im Frühjahr 1643 auch der König. Mazarin folgte Richelieu im Amt und dieser setzte sie anti-spanische Politik fort. Die Regentin war eine Schwester des spanischen Königs und obwohl sie zuvor den Krieg gegen Spanien abgelehnt hatte, ließ sie ihn nun aus Gründen der Staatsräson fortführen: Ludwig XIV sollte ein mächtiges Reich führen.

Als die aufständischen Neapolitaner sich Hilfe suchend an den Papst wandten, rieten daher Vertraute der französischen Krone, sich unter den Schutz Frankreichs zu begeben. Der Marquis de Fontené, Botschafter Frankreiches in Rom, versprach Hilfe und schlug den Neapolitaner vor, sich an den Herzog de Guise, Henri de Lorraine, zu wenden, der gerade zwecks Annulierung seiner zweiten Ehe in Rom war.

7.2.12

Tänze


 Der Gesellschaftstanz wurde erst zum Ende des Spätmittelalters bzw. in der Frühen Neuzeit ein beliebter Zeitvertreib an den europäischen Fürstenhöfen. Die Tänze schöpften aus den lokalen Volkstänzen – die wiederum später Anleihen an den höfischen Tänzen machten.
Hoftanzmeister und das Erscheinen der ersten Tanzhandbücher sorgten dafür, dass Tänze international wurden. Der Tanz wurde Teil der adligen Lebensweise. Am Anfang standen würdevolle Schreit- und Prozessions-Tänze wie die Pavane. Über die Pavane schrieb der französische Tanztheoretiker Thoinot Arbeau: „Den Königen, Fürsten und großen Herren dient die Pavane dazu, sich aufzublähen und sich prunkend zu zeigen.“
Im 16. Jahrhundert wurden Tänze modern, die sich durch Sprünge und schnellere Bewegungen auszeichneten und auch mehr Beweglichkeit erforderten. Der erste dieser Tänze war die italienische Gaillarde, die bald regelmäßig nach der Pavane getanzt wurde, bis sie von der Courante bzw. der Corrente abgelöst wurde: Aus der altfranzösischen Courante wurde im 17. Jahrhundet die „Courante“ und die „Corrente“ – die Courante langsamer und im 3/2 oder 6/4 Takt; die Corrente meist im 3/8 oder 3/4 Takt. (Die Courante ist langsamer als die Corrente)
Diese lebhaften Tänze als stilisierte Versionen der Volkstänze, die wurden mit gleichfalls stilisierter Musik unterlegt. Entsprechend der von den Tanzschulen gelehrten Reihenfolge der Tänze wurden die passenden Suiten komponiert, in denen uns noch heute die Namen der Tänze begegnen. 

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Wenn von italienischen Volkstänzen die Rede ist, fällt stets ein Begriff: die Tarantella.
Der Legende nach soll sie von denen getanzt worden sein, die von einer giftigen Spinne, der tarantola, gebissen worden waren. Wahrscheinlicher war aber die Stadt Taranto der Namensgeber.

Vermutlich ist sie aus Fandango und Moreska entstanden.
Es ist auch nicht ein Tanz, sondern – heutzutage - der Oberbegriff für eine ganze Reihe süditalienischer Tänze. Gemeinsam ist diesen Tänzen lediglich, dass sie schnell sind. Sie unterscheiden sich aber sowohl in der Tonart wie in der Metrik. Im Laufe der Zeit wurden die regionalen Namen durch die Bezeichnung Tarantella ersetzt. Die erste schriftliche Erwähnung stammt vom Beginn des 17. Jahrhunderts; die Tarantella wurde zum Emblem des „Königreichs der beiden Sizilien“ – Sizilien und Neapel. 
Neben der neapolitanischen Tarantella wurde in Kampanien die Tammuriata nera getanzt. Auch sie wird den Tarantelle zugerechnet, unterscheidet sich von diesen aber durch den strikt binären Rhythmus.
Die Tammuriata wird immer paarweise getanzt; das klassische Instrument - daher der Name - ist eine große Trommel - tammorra -, der sich andere Instrumente, von der Flöte bis zur Ziehharmonika, zugesellen können. Die Tammuriata zeichnet sich durch eine große Dynamik der Armbewegungen was, was dadurch entstanden ist, dass die Tänzer  mit nacchere, einer Art Kastagnetten, den Basis-Rhythmus vorgaben.